Gilmar no 'Berliner Zeitung'
Enviado por luisnassif, qua, 06/06/2012 - 13:19
Por antonio
francisco
Para quem lê alemão ou tem paciência para dissecar uma tradução guglada, no link do Berliner Zeitung há um texto, datado de hoje, sobre Gilmar Mendes.
De Berliner Zeitung
Para quem lê alemão ou tem paciência para dissecar uma tradução guglada, no link do Berliner Zeitung há um texto, datado de hoje, sobre Gilmar Mendes.
De Berliner Zeitung
GILMAR MENDES, BRASILIENS HÖCHSTER RICHTER, KENNT UND SCHÄTZT DIE DEUTSCHEN, HÄLT SIE ABER FÜR WENIG FLEXIBEL UND TOLERANT
In guter Verfassung
Von Wolfgang
Kunath
BRASILIA. Die meisten Büros sind längst dunkel, außer den Nachtportiers
arbeitet kaum noch jemand in dem Glaskubus unter dem riesigen, weit vorstehenden
Flachdach, das von elegant emporstrebenden, jetzt gleißend angestrahlten weißen
Säulen gehalten wird. Die elf Richter von Brasiliens Oberstem Bundesgerichts
haben das Privileg, in einem Gebäude des großen Architekten Oscar Niemeyer zu
arbeiten, direkt am Platz der drei Gewalten in Brasília: Gegenüber liegt der
Amtssitz des Präsidenten, links ragen auf einer Anhöhe - denn alle Gewalt geht
vom Volke aus - die Zwillingstürme der Volksvertretung in den Nachthimmel. Vor
dreißig Jahren war der junge Diplomat Gilmar Mendes in Bonn stationiert, und
wohl niemand - wahrscheinlich nicht einmal er selbst - hat damals gedacht, dass
er eines Tages Präsident des Obersten Bundesgerichts werden und in dem
Architektur-Klassiker arbeiten könnte. Er blieb bis 1982 in Bonn; sein
offizieller Lebenslauf verzeichnet, dass ihm damals das Bundesverdienstkreuz
verliehen wurde. Ende der Achtziger kam er zum zweiten Mal, diesmal, um in
Münster bei dem renommierten Juristen Hans-Uwe Erichsen zu promovieren. Den
Kontakt zu Deutschland hat er nie abreißen lassen: Er reist immer wieder hin, er
pflegt die Beziehungen zur deutschen Botschaft ebenso wie die zur
deutsch-brasilianischen Juristen-Vereinigung, er spricht immer noch ordentlich
Deutsch. Seine Kinder, sagt er, können es "perfekt". Das Gespräch, das Gilmar
Mendes' Bild von Deutschland zum Thema hat, beginnt natürlich mit einem
Vergleich zwischen dem deutschen und brasilianischen Rechtssystem. Deutschlands
Zivilrecht stand schon 1916 Modell für das brasilianische, sagt Mendes, und die
deutsche Juristerei "war immer stark präsent in Brasilien". Ach herrje - immer?
Atmen die brasilianischen Verfassungen von 1934 und 1937 etwa auch deutschen
Zeitgeist? "Die von '34 war der Weimarer ähnlich, aber die von '37 nennen wir "a
polaca", die polnische, weil sie das autoritäre Staatsmodell von Marschall
Pilsudski nachahmte", antwortet Mendes. 1988, als Brasilien nach zweieinhalb
Jahrzehnten Militärdiktatur seine heute gültige Verfassung schrieb, war "das
deutsche Grundgesetz ein wichtiges Modell - dieser Einfluss ist ist ganz
evident". Mendes verschwindet kurz aus dem riesigen, neonerleuchteten
Besprechungszimmer und kommt zurück mit einem abgegriffenen Buch: "Die abstrakte
Normenkontrolle vor dem Bundesverfassungsgericht und vor dem brasilianischen
Supremo Tribunal Federal" - seine Dissertation aus Münster. Die grundlegenden
Prinzipien des Staatswesens und die allgemeinen Rechte des Bürgers zu Beginn,
der klare Aufbau des Gesetzeswerkes von 1988 - das führt Mendes auf den
deutschen Einfluss zurück. Aber warum ist dann Brasiliens Verfassung dreimal so
lang wie das Grundgesetz? "Das Grundgesetz wollte nichts über soziale Rechte
aussagen, und bei uns sollten sie ganz bewusst Teil der Verfassung sein",
erläutert Mendes, "uns Richtern macht das natürlich das Leben schwer." Denn wenn
der Mindestlohn Verfassungsrang hat und zugleich Bemessungsgröße für das
ebenfalls in der Verfassung festgelegte Sozialversicherungssystem ist, dann
müssen sich die Obersten Richter unentwegt mit dem befassen, was in Deutschland
auf unteren Ebenen der Justizhierarchie verhandelt wird. Richter erkennen
Schuld, verhängen Strafen - wie gehen die Deutschen mit ihrer historischen
Schuld um? "Es ist ein unendliches Thema, und mir imponiert das
Verantwortungsgefühl, mit dem die Deutschen es behandeln", antwortet er, und
nach einer kleinen Pause, in der ihm durch den Kopf gegangen sein mag, dass
beileibe nicht alle Deutschen sehr verantwortungsvoll damit umgehen, fügt er
hinzu: "Aber ich würde nicht sagen, dass man sich heute in Deutschland
übertrieben intensiv damit befasst." "Man muss diese Zeit immer neu
verarbeiten", sagt er, streift kurz die Militärdiktatur-Zeit in Brasilien,
erwähnt die, allerdings nicht sehr lebhafte, gegenwärtige Debatte über die
Folterer von damals, fügt natürlich hinzu, dass die Dimensionen völlig
unvergleichbar seien - und zieht sich wieder auf die Position des Juristen
zurück: "Das Grundgesetz war ja als Anti-Weimar, als Prävention gegen
Autoritarismus gedacht." Deutsche Freunde von ihm, fügt er dann noch hinzu,
sähen in der Debatte um die Nazi-Vergangenheit "eine gewisse Übertreibung, so
als wär's eine Selbst-Tortur." Aber "dazu kann ich als reiner Beobachter nichts
sagen". Diese behutsame Zurückhaltung kontrastiert mit der Stellung des obersten
Richters in der brasilianischen Öffentlichkeit. Mendes und seine zehn Kollegen
stehen unentwegt in der Zeitung, nehmen zu aktuellen Fragen Stellung, streiten
sogar lauthals - ganz anders als die dritte Gewalt in Deutschland, deren höchste
Vertreter in der Öffentlichkeit kaum bekannt sind und die sich meist nur dann in
der Presse äußern, wenn sie der Urteilsschelte entgegentreten wollen. Gerade
Mendes ist umstritten. Als er 2002 zum Bundesrichter ernannt wurde, schrieb ein
prominenter linksgerichteter Jurist, Mendes sei ein "Risiko für den Schutz des
Rechts, für die Korruptionsbekämpfung". Und als er die öffentliche Finanzierung
der Landlosenbewegung als illegitim geißelte, weil deren Mitglieder mit
illegalen Methoden vorgingen, hielt man ihm Parteilichkeit vor - der oberste
Richter ist als Besitzer einer florierenden Privatschule nicht nur erfolgreicher
Unternehmer, sondern auch Großgrundbesitzer. Warum also steht der oberste
Richter in Brasilien, ganz anders als in Deutschland, so im Rampenlicht? Die
Antwort klingt nach Ausflucht: Die Richter in Brasilien seien seit 1988 eben an
Freimütigkeit gewöhnt. Und auf Nachfrage fügt er nur noch hinzu, dass er nicht
nur Bundesrichter, sondern auch Chef der Justizverwaltung sei und deshalb öfter
mal kritisiert werde. So wie er es für einen "Mythos" hält, dass die Brasilianer
wenig arbeiten, so wenig ist er vom überschäumenden Arbeitsethos überzeugt, das
den Deutschen zugeschrieben wird oder den sie sich selber zuschreiben: "Ich war
1989 in Deutschland, ich erinnere mich, dass die Ostdeutschen als wenig
arbeitsam kritisiert wurden, nachdem die erste Verbrüderung vorbei war." Am
Institut in Münster sei es sehr effizient zugegangen, aber andererseits "sind
die Deutschen nicht sehr flexibel. Um 18 Uhr ist eben Feierabend." Cordialidade,
Herzlichkeit: Auf diese Eigenschaft, die ihrem Nationalcharakter zugerechnet
wird, sind die Brasilianer besonders stolz - wie steht es damit in Deutschland?
"In Nordrhein-Westfalen merkt man schon eine gewisse Kälte, aber in
Süddeutschland drückt man sich anders aus", meint Mendes. Manchmal sei im
Alltagsleben "ein gewisser Grad an Ungeduld und Intoleranz" zu spüren. Wo zum
Beispiel? "Ach, wenn geschimpft wird, die Musik sei zu laut", sagt Mendes - eine
Bemerkung, die für Brasilianer so typisch ist wie die Klage der Deutschen, dass
es in Brasilien immer zu laut zugehe. Die Art, bestimmte Dinge sehr direkt
auszusprechen, wo sich Brasilianer eher in vermeidende Diskretion flüchten,
falle auf; brasilianische Studenten würden sich immer wieder darüber beklagen.
Er selber freilich und seine Familie hätten "viel Hilfe, viel Solidarität
erfahren" - der Besitzer seiner Wohnung habe ausländische Mieter sogar lieber
genommen. Dennoch: "Der Unterschied zwischen Bekannter und Freund wird sehr klar
in Deutschland." Und Negatives? "Ach", sagt er leichthin, "ich lebe schon so
lange nicht mehr in Deutschland - das hab' ich vergessen."
------------------------------ Oktoberfest und Mercedes Klischees: Zweiter
Weltkrieg und Deutsche Einheit, Bier, Würstchen und Sauerkraut, die Burgen längs
des Rheins, schöne Landschaften, Pünktlichkeit und Ordnungsliebe, Ehrlichkeit
und Verantwortungsbewusstsein, blonde Haare und blaue Augen, Automarken wie
Mercedes, BMW oder Volkswagen - es sind die auch aus anderen Ländern bekannten
und erwarteten Klischees und Stereotype, die Brasilianer mit Deutschland
assoziieren. Natürlich gehören auch Fußball und Beckenbauer dazu. Viele Leute
halten eher München als Berlin für die deutsche Hauptstadt und Krachlederne für
ein typisch deutsches Kleidungsstück. Vor allem das Oktoberfest: In der Stadt
Blumenau im Süden des Landes gründeten deutsche Einwanderer 1984 ein Oktoberfest
nach bayerischem Vorbild. Seither hat sich das Bild gefestigt, Bier und
Humptata-Bands seien DIE deutsche Kultur. Laut amtlicher Statistik haben seit
seiner Gründung auf dem Blumenauer Oktoberfest mehr als 16 Millionen Besucher
rund zehn Millionen Liter Bier getrunken. ------------------------------ Foto:
Gilmar Mendes während einer Verhandlung Foto: Brasiliens Präsident Lula auf dem
Oktoberfest in Blumenau
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